Auf zu einer europäischen Erinnerungskultur: Das Potenzial niederländischer DaF-Lehrwerke (5 VWO) zur Ausprägung eines dialogischen Gedächtnisses
Summary
Anliegen der vorliegenden Masterarbeit ist es, zu der noch jungen Forschung bezüglich der fremdsprachendidaktischen Umsetzung des in der modernen Fremdsprachendidaktik als wertvoll angesehenen dialogischen Gedächtniskonzepts beizutragen und herauszufinden, wie die Aufgaben zum Erinnern in den drei aktuellen und am häufigsten verwendeten Deutsch-als-Fremdsprache(DaF)-Lehrwerken für die 11. Klasse der niederländischen gymnasialen Oberstufe gestaltet sind, und welches Potenzial sie zur Ausprägung eines dialogischen Gedächtnisses enthalten. Sie soll niederländische DaF-Lehrende inspirieren, den schulischen DaF-Unterricht zu optimalisieren und zur Entwicklung einer europäischen Erinnerungskultur beizutragen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird im ersten Teil eine fremdsprachendidaktische und kulturtheoretische Hinführung zum Untersuchungsgegenstand auf theoretischer Ebene getätigt: Das dialogische Gedächtniskonzept und die ihm zugrunde liegenden Strategien werden vorgestellt und in einen fremdsprachendidaktischen Kontext eingebettet. Im zweiten Teil folgt die quantitative und qualitative Analyse der 5 VWO-Lehrwerke Na klar!, Neue Kontakte und TrabiTour, in die einerseits das Vorkommen und die fremdsprachendidaktische Gestaltung von Erinnerungsaspekten und andererseits die Analyse und Bewertung der ihnen zugehörigen Fragen miteinbezogen werden. Im dritten und letzten Teil stehen die schrittweise Einführung und kulturtheoretische, methodisch-didaktische und auf der Theorie und den Ergebnissen der Lehrwerkanalyse aufbauende Begründung der kulturdidaktischen Modellbildung zu den Gedenkliedern Rotterdam 1940 und Wie liegt die Stadt so wüst im Mittelpunkt. Ihr Ziel ist es, exemplarisch aufzuzeigen, wie die aus den Lehrwerkanalyseergebnissen hervorgehenden Empfehlungen in den kulturbezogenen DaF-Unterricht für Klasse 5 VWO umgesetzt werden könnten.
Die Lehrwerkanalyse hat unter Bezugnahme der Theorie zum Ergebnis geführt, dass dialogisches Erinnern in niederländischen DaF-Lehrwerken nicht verankert ist, weil die in ihnen festgestellten Aufgaben zum Erinnern vornehmlich zur Förderung von Sprach- und Teilfertigkeiten und kaum zu einem zur Ausprägung eines dialogischen Gedächtnisses notwendigen kulturellen Lernen eingesetzt werden. Daher erscheint vor allem die Bewusstwerdung der großen fremdsprachendidaktischen Potenziale des dialogischen Gedächtniskonzepts wichtig. Gleichzeitig hat die Analyse aber auch gezeigt, dass in Na klar! und TrabiTour wohl Anknüpfungspunkte für die dialogische Gedächtnisarbeit feststellbar sind, und zwar in thematischer, kulturtheoretischer und fremdsprachendidaktischer Hinsicht. Um diese Anknüpfungspunkte bedarfsgerecht nutzen zu können, hat es sich mit Blick auf die analysierten Lehrwerke generell empfohlen, die europäische erinnerungsgeschichtliche Pluralität aufzugreifen, sie an für den DaF-Unterricht geeigneten parallelen Erinnerungsorten zu veranschaulichen, aus dem Kontext kognitiver Landeskunde zu lösen und zur Ausprägung des dialogischen Gedächtnisses und zur vielfältigen Ausnutzung dessen Potenziale in den Bereichen interkulturelle Kompetenz, symbolische Kompetenz und Diskursfähigkeit zu verarbeiten. Erst dann kann im DaF-Unterricht nämlich eine dialogische Erinnerung entstehen, die ihre fremdsprachendidaktischen Potenziale ausnutzt und dazu beiträgt, Gesellschaften gegen die Ausgrenzungsdiskurse der europäischen Gegenwart zu sensibilisieren.
Die vorliegende Arbeit wurde zur Erlangung des Grades Master of Arts an der Universität Utrecht verfertigt und von Dr. Barbara Mariacher betreut.