Tourist im Unklaren. Peter Handkes Serbientexte und Literatur als Unpolitisches
Summary
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die politischen Implikationen von Peter Handkes
sogenannten Serbientexten und befasst sich vor allem mit der Rolle von Unklarheitsstellen
innerhalb dieser Texte. Aufgrund früherer Essays wie „Ich bin ein Bewohner des
Elfenbeinturms“ und „Die Geborgenheit unter der Schädeldecke“ ist Peter Handke oft als
einen unpolitischen Autor bewertet worden, was auch aus der Verteidigung des
Nobelpreiskomitees, das sich Oktober 2019 für Handke entschieden hat, klar wurde.
Handkes Poetologie kennzeichnet sich durch einen Willen aus der Beschreibung sehr
persönlicher Eindrücke, die Welt in Griff zu kommen und um zwischen Individuum und
Gesellschaft ein „drittes“ Land neben den Fakten und einfachen Bildern darzustellen. In den
sogenannten Serbientexten führt diese Auffassung, analog zu Thomas Manns
„Betrachtungen eines Unpolitischen“, zu einer „Politisierung des Unpolitischen“, weil
Handke diese in erster Instanz poetologische Auffassung direkt in der Gegenwartspolitik der
Jugoslawienkriege einschreibt.
Hier entfaltet sich das Problem von Handkes literarischem Projekt bezüglich Serbien:
der unwissende und leicht beeinflussbare Erzähler „Peter Handke“ schafft mit seiner Suche
nach der „Wahrheit“ eine solche Unklarheit, dass er als Erzählperson sich in die Tragödie des
(Propaganda-)Kriegs hineinschreibt. Die „Wahrheit“ wird nicht gefunden, sondern nur ein
Alptraum, wobei der Erzähler „Peter Handke“ sich als Don Quijote gegen die Windmühle des
Westens richtet. Vor allem wegen seinem provokanten öffentlichen Auftreten schreibt er
sich nicht nur literarisch in den Krieg ein, sondern wird er als öffentliche Person auch Teil
eines Diskurses, der Rechts- und Linksextremen, Anhängern von Verschwörungstheorien und
Populisten angehört. Das Ketzerbriefe-Interview aus dem Jahr 2011 macht auf peinliche
Weise deutlich, wie Handke den Minderwertigkeitskomplex der politisch ‚Nicht-Gehörten‘
teilt. Handkes literarischer Projekt vom Hervorheben von Widersprüchen mündet damit in
einem polarisierten Festhalten der eigenen Wahrheit.